Verwundbare Gesellschaften? Eine Umweltgeschichte der Hungerkrise 1770-1772
Laufzeit: 2013 - 2016
Bearbeiter: Dominik Collet
Projektbeschreibung
Hungersnöte sind mit dem globalen Klimawandel wieder zu einer Gegenwartsfrage geworden. In dem Maße, in dem die Zunahme von Klimaextremen unsere Zukunft beeinflusst, stellt sich die Frage neu, wie und mit welchen Folgen diese Herausforderungen in der Vergangenheit bewältigt wurden. Die globale Klimaanomalie der Jahre 1770-1772 stellte eines der folgenschwersten Extremereignisse der Kleinen Eiszeit dar. In Europa verursachte sie mit lang anhaltenden Niederschlagsperioden mehrere schwere Missernten. Die anschließende dramatische Hungersnot wird in der Forschung entweder völlig auf klimatische Impulse ("Krise des Alten Typs") oder allein auf politische Faktoren ("Entitlement Failure") zurückgeführt. Demgegenüber wählt diese Untersuchung einen umweltgeschichtlichen Zugang, der naturale Umwelt und menschliches Handeln als eng miteinander verflochten begreift. Methodisch greift die Untersuchung unter anderem auf das "Vulnerabilitäts"- Konzept der neueren Umweltgeschichte zurück. Es erlaubt, die Dichotomie von klima- und sozialdeterministischen Modellen zugunsten integrativer, historisierender und handlungsorientierter Erklärungsansätze aufzuheben, und ermöglicht so Vergleiche zwischen westlichen und nichtwestlichen sowie zwischen historischen und modernen Gesellschaften. Als "normaler Ausnahmefall" (E. Grendi) frühneuzeitlicher Gesellschaften beleuchten Hungersnöte Wandlungsprozesse im Verhältnis von Mensch und Umwelt sowie Formen der "Sozialisierung" klimatischer Impulse. Ihre Analyse beantwortet die Frage, wie die "verwundbaren Gesellschaften" der Frühen Neuzeit Klimaextreme, Katastrophen und Risiken wahrnahmen, deuteten und bewältigten.