Kontakt

Dario Kaidel
Doktorand
Historisches Seminar
Grabengasse 3-5
69117 Heidelberg

Büro:
Sandgasse 7
Zimmer: 20
Tel +49 6221 54-6563

dario.kaidel@uni-heidelberg.de

 

 
NWG - Hungerkrisen

Die Hungersnot in Bengalen 1770
Eine Umwelthistorische Perspektive

Die große bengalische Hungersnot 1770 forderte Millionen von Opfern und entvölkerte ganze Landstriche. Eine umfassende Untersuchung dieses Ereignisses steht noch aus. Bisherige Forschungen vermuten die Ursachen vor allem in der Ausbeutung der Region durch die britische East India Company (EIC). Sie fokussieren auf das Missmanagement der EIC im Zusammenhang mit der Übernahme der Steuereinzugsrechte (diwani) für Bengalen, Bihar und Orissa während der Krisenjahre 1769-1771. Sie vermuten, dass erst das Handeln der Company die Krise zu einer Katastrophe mit bis zu 10 Millionen Opfern gemacht habe – eine Interpretation, die bereits von Zeitgenossen, wie etwa Adam Smith, vertreten worden ist.

            Eine solche monokausale Perspektive auf das komplexe Geschehen einer Hungersnot, berücksichtigt allerdings weder die naturalen Aspekte des Ereignisses noch das Handeln der bengalischen ‚Opfer‘ selbst. Um die Wahrnehmungen, Deutungen und Handlungsweisen der örtlichen Bevölkerung und Eliten einschätzen zu können, muss der Zugang daher deutlich erweitert werden. Diese Untersuchung kombiniert deshalb eine umwelthistorische Herangehensweise mit den Ansätzen der Subaltern Studies. Beide Ansätze werden über das Konzepte der ‚Vulnerabilität‘ miteinander verknüpft, dass es erlaubt naturale und soziale Faktoren in einem methodischen Gerüst zu integrieren und in Beziehung zu setzen. Untersucht wird dabei die Verwundbarkeit vor, während und nach der Hungersnot, im Zeitraum von 1750-1780.

            Die dramatischen Ereignisse in dieser Zeit haben zahlreiche Quellen hervorgebracht. Vor allem für die bengalischen Zeugnisse steht eine Analyse noch aus. Auch die von der Politikgeschichte untersuchten Quellen verdienen eine genauere Untersuchung, die über eine preisgeschichtliche und obrigkeitliche Perspektive hinausgeht. Neben den Akten der britischen Administration werden daher auch Korrespondenzen, Tagebücher und Bittschriften untersucht. Die historischen Quellen werden zudem mit naturwissenschaftlichen Daten in Beziehung gesetzt, welche den ausfallenden Monsun in den Jahren 1768-1770 dokumentieren. Hinzu kommen Quellen zur „gebauten Umwelt“ der bengalischen „riverine ecology“ sowie zur bäuerlichen Verwendung der Ackerflächen in der Landwirtschaft.

            Ziel der Arbeit ist, durch die Verflechtung von naturalen, sozialen und kulturellen Faktoren eine multikausale Sichtweise auf die bengalische Hungersnot zu etablieren. Diese Kombination ermöglicht die Überwindung des bisherigen Forschungsparadigma durch die Einbindung der bengalischen Bevölkerung und den Fragen nach der zeitgenössischen Mensch-Umwelt Beziehung. Dieser Perspektivwechsel ermöglicht eine Neueinschätzung der Instrumentalisierung von Natur durch die Zeitgenossen.

Verantwortlich: E-Mail
Letzte Änderung: 28.08.2014
zum Seitenanfang/up